KLEZMER IN GORTZER KIRCHE / ORGEL ERSTMALS WIEDER GESPIELT

Glockenheller Klang

HEIKO HESSE

Dorfkirche Gortz

GORTZ Das Brummen stammt von einer verklemmten Orgelpfeife. Doch angesichts dieses Ereignisses ist der sonore Ton Nebensache. Nach wenigstens 40 Jahren ist die Orgel der kleinen Gortzer Kirche am Samstag bei der Ernte-Dank-Andacht zum ersten Mal wieder erklungen. Zweite Premiere: Eine Berliner Familie hat die Elektrik des großen Leuchters reparieren lassen. Doch ließ Claudia-Karina Rose, Vorsitzende des Fördervereins zur Erhaltung der Gortzer Kirche, das Licht nur für einen Moment aufflammen. Denn der Atmosphäre des Höhepunkts des Herbstfestes hätte das kalte elektrische Licht nicht gut getan.

Hoch droben auf der Kanzel stimmt Harry Timmermann mit seiner Klarinette die Melodie an. Unten am Altar steigen Alexander Danko am Knopfakkordeon und Sophie Seuris an der Gitarre ein. Klezmer-Musik füllt das Schiff der über 450 Jahren alten spätgotischen Dorfkirche. Das Gotteshaus wirkt wie geschaffen für diese Musik. Die Akustik ist hervorragend, was am Ende auch Timmermann bestätigt. Seinem Instrument entlockt der Musiker mal traurig-besetzte Klänge, dann geht es lustig und beschwingt zur Sache. Auch kann die Klarinette meckern wie eine Ziege. Klezmer ist ohne Klarinette unvorstellbar. Das Akkordeon und die Gitarre ergänzen Timmermann nicht bloß, sie entwickeln auch ihr eigenes Leben. Überdies brilliert die Französin Sophie Seuris mit ihrer glockenhellen Stimme. Und führt vor, dass Klezmer beileibe nicht allein die Musik osteuropäischer Juden ist. Mit spanisch-jiddischen Gesängen begleitet sie die Klarinette und das Akkordeon. "Als wir vor einem Jahr zusammengekommen sind, haben wir Stücke gesucht, die zur klassischen Gesangs- und Gitarrenausbildung und zur Klarinette passen", erläutert Timmermann. Fündig geworden seien sie bei "der starken Frau an der Seite von Giora Feidman", einem der wohl populärsten Klezmer-Klarinettisten. Zwei gute Stunden entführen die drei in Berlin lebenden Musiker ihr Publikum in eine fremde Kultur.

Mit knapp 40 Zuhörer war das Konzert nur schwach besucht. Vor den Herbstfest-Ständen an der Kirche sah es ähnlich dürftig aus. Am Förderverein dürfte es nicht gelegen haben, der ländliche Leckereien auffuhr, darunter eine breite Palette von Marmeladen. Auch eine schöne Art, nach der Ernte Danke zu sagen.

 

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